„Das Finale wird vom Feinsten“ findet Klaus Theweleit von der taz und glaubt, dass das Führungstor der Spanier die Vertikalpass-Ideologie von Klinsmann-Löw wiederlegt:
„Mit zwei, drei schnellen Spielzügen nach Balleroberung überfallartig im gegnerischen Strafraum aufzutauchen, ist nicht immer das Rezept zum Tor. Die Spanier zeigten gegen Russland, wie das modifiziert werden kann. Ihr Führungstor fiel nach 15 eigenen Ballberührungen. Der Ball war dabei nicht erobert worden, er kam vom eigenen Torwart.“
Sehr schlau beobachtet Herr Theweleit, davor aber irrt er, wie so viele andere:
„Gegen unterschätzte Teams (Kroatien, Türkei) war die Laufbereitschaft miserabel. Gegen das Team, wo die meisten psychischen Hemmungen bestanden – Österreich: Angst vor einer zweiten Blamage à la Cordoba – war sie immerhin mäßig….im Auftaktspiel gegen Polen war die Mannschaft läuferisch voll da. Sehr gut aber nur da, wo der Gegner klar favorisiert war: gegen Portugal.“ Das klingt zunächst auch schlau, stimmt aber nicht. Der Kernfehler dieser Analyse ist es, die Laufbereitschaft als abhängig von der Einschätzung der Stärke des Gegners zu sehen. Wie sollen wir uns das vorstellen? Poldi steht auf dem linken Flügel und könnte sich gegen die Kroaten freilaufen, denkt dann aber, „ach die Kroaten, für die wird““s schon noch reichen“? Die Laufbereitschaft hängt davon ab, wie gut man aufgestellt und „im Spiel“ ist. Wenn man glaubt sich freilaufen zu können, dann macht man das mit wenigen Ausnahmen als Fußballer auch. Genau das macht ja Fußballern Spaß, freilaufen und Tore schießen. Die Laufbereitschaft sinkt dann, wenn man keine Option sieht, wo man denn hinlaufen könnte, um angespielt zu werden. Wenn es nicht läuft, läuft man nicht. Für das man sie die Spieler verantwortlich, für das es der Trainer!
Wenn Löw also die Laufbereitschaft gegen die Kroaten bemängelt, dann kaschiert er damit, dass er gegen die Taktik von Bilic nichts in der Hand hatte. Außer mit Odonkor einen Kontorspieler in einem Spiel einzuwechseln, in dem nicht gekontert wurde. Das war schwach, aber das hat er selber zugegeben und das war stark.
Gegen die Türken lief es gar nicht rund, und Löw entschied sich nichts zu tun. Das Ergebnis gab ihm recht.
Gegen die Portungiesen hingegen hat er Scolari mit seinem Systemwechsel überrascht. Was heißt das fürs Finale?
Für Deutschland spricht, dass Spanien der Favorit ist, und offensiv spielt. Gegen Deutschland spricht, dass Spanien gerne (z.B. in der zweiten Halbzeit gegen Russland) im 4-1-4-1 spielt, dem System der Kroaten und Türken gegen Deutschland.
Die Vorraussage, dass Deutschland als „Defensivmaschine mit Kopfballwunder“ ist also wiederum ganz schön schlau, aber nicht von Theweleit, aber auch aus der taz.